ICM (Independent Chip Model) ist ein Modell im Poker, das den Wert eines Spielers in einem Turnier basierend auf der Menge seiner Chips und dem verbleibenden Preisgeld bewertet. In Turnieren zählt der Wert der Chips nicht konstant als echter Geldwert; vielmehr variiert der Wert mit der Position und dem Zeitpunkt im Turnier, da es in Turnieren vor allem darum geht, die Platzierung zu optimieren und nicht einfach nur mehr Chips zu gewinnen. ICM hilft daher, fundierte Entscheidungen zu treffen, indem es den tatsächlichen Geldwert des Chipstapels in Bezug auf das Preisgeldmodell berechnet.
Zusätzlich gibt es das Konzept des ICM-Drucks. Dies ist ein Effekt, der auftritt, wenn der Chip-Stack eines Spielers stark unter Druck gerät, besonders im Zusammenhang mit einem „Bubble Play“ oder wenn es um einen entscheidenden Sprung in der Preisgeldstruktur geht.
Hier ist eine ausführliche Erklärung der beiden Konzepte:
1. Was ist das Independent Chip Model (ICM)?
Das Independent Chip Model (ICM) berechnet den ungefähren Geldwert eines Chipstapels in Turnieren, basierend auf der Wahrscheinlichkeit, verschiedene Preisgeldplätze zu erreichen. Dieser Geldwert ist entscheidend in Turniersituationen, in denen das Preisgeld gestaffelt verteilt wird.
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Chips ≠ Geldwert: In einem Turnier sind die Chips nicht direkt in Geld umwandelbar. Der Wert eines Chips verändert sich abhängig von der Anzahl verbleibender Spieler und der Preisgeldstruktur. Beispielsweise hat ein Spieler, der doppelt so viele Chips wie ein anderer hat, nicht automatisch doppelt so hohe Chancen auf das Preisgeld.
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ICM-Berechnung: ICM berechnet die Wahrscheinlichkeit, mit der jeder Spieler in seiner aktuellen Position und Chip-Anzahl bestimmte Preisgeldränge erreichen könnte, und gibt diesem Anteil einen monetären Wert.
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Anwendung des ICM-Werts: Spieler können basierend auf dem ICM-Wert Entscheidungen treffen, um entweder ihre Position zu verbessern oder den maximalen Geldwert aus ihrem Chip-Stack zu ziehen.
Beispiel:
Angenommen, es sind drei Spieler im Turnier verblieben, die ein Preisgeld von insgesamt 10.000 Euro untereinander verteilen. Die Preisgeldverteilung ist 5.000 Euro für Platz 1, 3.000 Euro für Platz 2 und 2.000 Euro für Platz 3.
- Spieler A hat 50 % der Chips, Spieler B hat 30 % und Spieler C 20 %.
- Das ICM bewertet, welche Platzierungswahrscheinlichkeit jeder Spieler hat und ordnet diesen eine Geldsumme zu, basierend auf den Chips und dem verbleibenden Preisgeld.
So könnte das Modell z.B. ergeben, dass Spieler A aufgrund seines großen Stacks statistisch den ersten Platz erreichen könnte und sein ICM-Wert dementsprechend höher liegt als der von Spieler B und C.
2. Was ist ICM-Druck?
ICM-Druck bezieht sich auf die besondere Drucksituation, die ICM auf kleinere Stacks ausübt, insbesondere in Turnierphasen, in denen es um das Ausscheiden von Spielern und den Preisgeldaufstieg geht (z. B. kurz vor der „Bubble“ oder wenn größere Preisgeldsprünge anstehen).
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Bubble Play: In Turnieren mit Preisgeld für die besten X Spieler tritt der ICM-Druck häufig an der sogenannten „Bubble“ auf – also direkt vor den Preisgeldrängen. Spieler mit kleineren Stacks sind besonders unter Druck, da sie die Preisgeldränge erreichen wollen und sich riskante All-Ins oft nicht leisten können.
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Rang- und Preisgeldsprüngen: Wenn größere Preisgeldsätze im Raum stehen (z. B. ein Sprung von 5.000 auf 10.000 Euro), ist der Druck für Spieler höher, da eine riskante Entscheidung den Verlust eines beträchtlichen Geldwerts bedeuten kann. Große Stacks können den ICM-Druck ausnutzen, um kleinere Stacks zum Folden zu bewegen.
Wie wirkt sich der ICM-Druck aus?
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Kleine Stacks werden vorsichtiger: Da kleinere Stacks oft Gefahr laufen, den Preisgeldbereich zu verpassen, spielen sie tendenziell vorsichtiger und vermeiden riskante All-Ins, um sicherzustellen, dass sie das Preisgeld erreichen.
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Große Stacks können aggressiver spielen: Da große Stacks sich das Risiko eher leisten können, üben sie oft Druck aus, indem sie die kleineren Stacks durch All-In- oder Reraise-Aktionen dazu zwingen, zu folden und den eigenen Stack zu schützen.
3. Strategische Anpassungen basierend auf ICM und ICM-Druck
ICM und ICM-Druck führen zu einzigartigen Turnierstrategien, die sich stark vom Cashgame unterscheiden:
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Anpassung der Hand-Auswahl: In Bubble- oder hohen Preisgeldphasen werden marginale Hände eher gefoldet, da das Risiko, alle Chips zu verlieren, schwerer wiegt als der potenzielle Gewinn. Kleine Stacks sollten nur starke Hände spielen, um nicht unnötig auszuscheiden.
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Vermeidung von Coin-Flips: Spieler vermeiden häufig All-In-Situationen oder „Coin-Flips“ (50/50-Chancen), wenn sie ein höheres Preisgeld in Reichweite haben und vermeiden möchten, ihr Turnierleben aufs Spiel zu setzen. Selbst mäßig starke Hände, wie kleine Pocket-Paare oder schwache Asse, werden in bestimmten Situationen eher gefoldet, wenn der ICM-Druck hoch ist.
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Nutzung des Stack-Vorteils: Spieler mit großen Stacks können ICM-Druck aktiv nutzen, indem sie kleinere Stacks unter Druck setzen, oft indem sie aggressiv raisen oder All-In setzen. Da kleinere Stacks oft ihre Chips und Platzierung sichern wollen, folden sie häufig marginale Hände.
Beispiel:
Ein Spieler mit einem mittleren Stack in der Nähe der Preisgeld-Bubble steht einem Spieler mit einem großen Stack gegenüber, der aggressiv spielt und viel Druck ausübt. Der mittlere Stack muss oft stark über die „ICM-Kosten“ nachdenken und wird marginale Hände wie kleine Paare oder spekulative Hände wie schwache Ass-Kombinationen häufiger folden.
4. Die Berechnung und das Verständnis des ICM-Werts für Entscheidungen
ICM beeinflusst die gesamte Turnierstrategie und ist für fortgeschrittene Spieler ein zentraler Faktor in der Entscheidungsfindung. Viele Turnierspieler trainieren, um den ICM-Wert besser zu verstehen und während des Spiels abschätzen zu können.
ICM-Rechner oder spezielle Tools helfen, den Wert des Chipstapels in spezifischen Turniersituationen abzuschätzen und Entscheidungen darauf zu stützen. Durch ICM-Training wird klar, wie sich verschiedene Stackgrößen und Preisgeldstrukturen auf den Wert von Chips und das allgemeine Spielverhalten auswirken.
Zusammenfassung
- ICM bewertet den Chipstapel eines Spielers in Bezug auf die Wahrscheinlichkeiten der Preisgeldplatzierungen und hilft Spielern, die potenziellen Geldwerte ihrer Chips zu erkennen.
- ICM-Druck führt dazu, dass kleinere Stacks vorsichtiger agieren, um das Turnier zu überleben, und dass größere Stacks aggressiv spielen können, um diese kleineren Stacks zu dominieren.
- Strategieanpassungen: Um erfolgreich zu sein, müssen Spieler ihre Entscheidungen während des Turniers ständig an den ICM-Druck und die Phase des Turniers anpassen. Große Stacks haben oft mehr Spielraum und können ICM-Druck ausüben, während kleine Stacks risikoärmer agieren und stärker auf den Erhalt ihrer Chips bedacht sind.
Das Verständnis von ICM und dem resultierenden Druck hilft Turnierspielern dabei, ihre Gewinnchancen zu maximieren und gleichzeitig kluge Entscheidungen zu treffen, die ihren langfristigen Erfolg sichern.