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Cash Game und Turnierpoker

Cash Game und Turnierpoker sind zwei grundlegend verschiedene Varianten des Poker-Spiels. Während in beiden Fällen ähnliche Pokergrundlagen und Regeln gelten, erfordern die unterschiedlichen Strukturen und Zielsetzungen der beiden Formate spezifische und teilweise gegensätzliche Strategien. Hier ist eine detaillierte Übersicht der strategischen Unterschiede und Ansätze in Cash Games und Turnieren:


1. Unterschiede in den Spielzielen

  • Cash Game:

    • Das Ziel ist es, fortlaufend Chips zu gewinnen, die direkt in Geld umwandelbar sind.
    • Jeder Chip hat einen konstanten Geldwert, und Spieler können Chips jederzeit nachkaufen, wenn sie „broke“ gehen.
    • Spieler können das Spiel jederzeit beenden und die Chips eintauschen, weshalb die Risikobereitschaft gut kalkuliert sein muss.
  • Turnierpoker:

    • Das Ziel ist es, möglichst weit zu kommen und eine hohe Platzierung zu erreichen, um Preisgelder zu gewinnen.
    • Chips haben einen variablen, sich ständig ändernden Wert, da der eigentliche Wert von Chips in der Platzierung und Preisstruktur steckt.
    • Spieler können keine Chips nachkaufen (außer in speziellen Rebuy-Turnieren) und sind bei Verlust aller Chips ausgeschieden.

2. Strategische Unterschiede im Risiko- und Chip-Management

  • Cash Game:

    • Bankroll-Management und Tischwahl: Die Spieler sollten nur mit einem geringen Teil ihrer gesamten Poker-Bankroll (z.B. 5%) am Tisch sein. Man kann sich jederzeit zurückziehen, weshalb die Flexibilität und Disziplin in der Tischwahl wichtig sind.
    • Geringere Varianz in Entscheidungen: Spieler müssen nicht riskant spielen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Es ist sinnvoller, starke Hände solide zu spielen und potenzielle Gewinnchancen gut abzuwägen.
    • Spielstile: Da Spieler jederzeit den Tisch verlassen können, ist es in Cash Games oft profitabel, einen "tight-aggressiven" Stil zu spielen. Man kann durch Vorsicht und starke Hände regelmäßig kleine, aber sichere Gewinne erzielen.
  • Turnierpoker:

    • Überlebensstrategie: Da der Spieler ausscheidet, wenn er all seine Chips verliert, wird der Survival-Aspekt wichtig. Risiko und aggressives Spiel hängen stark vom Fortschritt im Turnier ab, und Spieler neigen dazu, besonders in der späten Phase risikoreich zu agieren.
    • Chip-EV vs. Preisgeld-EV (ICM): Das Independent Chip Model (ICM) berechnet den Wert der Chips in Bezug auf das Preisgeld und nicht nur als reinen monetären Wert. Dadurch können Entscheidungen, die mehr Risiko beinhalten, sinnvoll sein, wenn sie einen höheren Turnierwert generieren, auch wenn der monetäre Chipwert sinkt.
    • Spielstile: Zu Beginn eines Turniers werden Spieler häufig „tight“ spielen, um Chips zu schonen. Mit steigenden Blinds und Antes werden Spieler aggressiver und risikobereiter, um größere Stapel zu erlangen und sich dem Final Table zu nähern.

3. Unterschiede in der Blind-Struktur

  • Cash Game:

    • Konstante Blinds: Blinds und Antes bleiben konstant, was dazu führt, dass die Entscheidungen unabhängig von steigendem Druck getroffen werden können.
    • Langsames Spiel möglich: Spieler können sich Zeit lassen und auf profitablere Hände warten. Der Entscheidungsdruck ist geringer, weil sie nicht gezwungen sind, gegen die Blinds zu kämpfen.
  • Turnierpoker:

    • Steigende Blinds: Mit jeder Stufe im Turnier steigen die Blinds, was den Entscheidungsdruck erhöht. Der Zwang, Chips zu gewinnen, steigt, um nicht durch Blinds und Antes aus dem Turnier gedrängt zu werden.
    • Erhöhtes Tempo: Gegen Ende eines Turniers steigen Blinds und Antes oft schneller, was viele Spieler dazu zwingt, auch mit marginaleren Händen All-In zu gehen oder große Risiken einzugehen.

4. Unterschiedliche Hand-Auswahl (Starting Hands)

  • Cash Game:

    • Selektive Hände: Da die Blinds konstant sind, können Spieler eine engere Auswahl an Starthänden spielen und schlechte Hände einfach passen. Hier wird oft empfohlen, nur sehr starke Starthände zu spielen, um das Verlustrisiko zu minimieren.
    • Tight-Aggressive Strategie: Diese Strategie dominiert, da es profitabler ist, nur in Hände zu investieren, die eine hohe Gewinnwahrscheinlichkeit haben, und dann aggressiv zu spielen, um maximale Gewinne zu erzielen.
  • Turnierpoker:

    • Anpassung der Starthände an die Turnierphase: Frühe Phasen erfordern eine konservativere Starthandauswahl, während Spieler in späteren Phasen (besonders wenn sie einen kleinen Stack haben) gezwungen sind, ihre Handanforderungen zu lockern.
    • Stealing und Blinds Pressure: Spieler, besonders wenn die Blinds hoch sind, greifen zu häufigeren Bluffs und versuchen, die Blinds aggressiv zu „stehlen“, um ihren Stack zu vergrößern oder zu verteidigen.

5. Position und Stack-Größen

  • Cash Game:

    • Position bleibt entscheidend: Eine späte Position bietet in Cash Games enorme Vorteile, da Entscheidungen basierend auf der Information über andere Spieler getroffen werden können.
    • Flexible Stack-Größen: Da Spieler jederzeit Chips nachkaufen können, bleibt der Fokus eher darauf, mit dem aktuellen Stack gut zu manövrieren.
  • Turnierpoker:

    • Short-Stack und Big-Stack Strategien: Spieler mit großem Stack haben die Möglichkeit, kleinere Stacks unter Druck zu setzen und aggressiv zu spielen, während Short-Stack-Spieler häufig auf gute Situationen für ein All-In warten.
    • Push-or-Fold Entscheidungen: Bei sehr kleinen Stacks ist oft nur noch die Wahl zwischen All-In oder Fold sinnvoll, um den Verbleib im Turnier zu sichern.

6. Psychologie und Gegnerbeobachtung

  • Cash Game:

    • Langfristige Gegnerbeobachtung: Da Spieler längere Zeit am Tisch bleiben, kann man sich auf die Schwächen und Tendenzen der Gegner konzentrieren und langfristige Strategien entwickeln.
    • Mentaler Fokus auf kontinuierliche Entscheidungen: Die Spieler müssen eine klare Strategie beibehalten und ihre Entscheidungen unabhängig von großen Schwankungen treffen.
  • Turnierpoker:

    • Anpassung an ständig wechselnde Gegner: In Turnieren wechseln die Tische und Gegner oft, was schnelle Anpassungen erfordert. Die Spieler können weniger auf langfristige Schwächen bauen.
    • Emotionale Kontrolle: Spieler müssen lernen, Bad Beats oder Verluste hinzunehmen und trotzdem konzentriert zu bleiben. Druck und Adrenalin steigen gegen Ende des Turniers stark an.

7. Bluffen und Value-Betting

  • Cash Game:

    • Gezielte Bluffs: Bluffen ist häufiger auf Spieler mit deutlicher Lesbarkeit beschränkt, und der Erfolg hängt von der Gegnerbeobachtung ab.
    • Value-Betting für langfristigen Gewinn: Spieler sind mehr darauf bedacht, starke Hände zur maximalen Wertgenerierung zu spielen.
  • Turnierpoker:

    • Häufigeres Bluffen und Steals: Da das Ziel oft ist, Blinds und Antes zu gewinnen, wird auch mit schwächeren Händen öfter geblufft. Bluffs werden häufiger eingesetzt, da das Überleben eine höhere Priorität hat.
    • Situationsabhängiges Value-Betting: Der Zeitpunkt für Value-Bets ist strategisch wichtig und hängt von Stackgrößen, Turnierphase und Gegnern ab.

Zusammengefasst: Cash Games und Turniere erfordern völlig unterschiedliche Herangehensweisen. In Cash Games stehen Konsistenz, Geduld und langfristige Profitabilität im Vordergrund. In Turnieren hingegen ist das strategische Management von Risiken, Anpassungen an verschiedene Phasen und ein Fokus auf das Überleben des gesamten Turniers entscheidend. Beide Formate erfordern ein tiefes Verständnis für Poker, jedoch mit stark variierenden Prioritäten und Strategien.

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